13. Dezember 2022 –

Darüber sprechen statt schweigen

Armut - Es kann jede und jeden treffen

In Niedersachsen lag die Armutsgefährdungsquote im Jahr 2021 bei knapp 17%. Timm "Doppel-M" Busche und der Schollmayer möchten das Thema "Armut" enttabuisieren und sprechen mit Matthias, der armutsbetroffen ist, mit der Autorin und Journalistin Mareice Kaiser und mit Dr. Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands.

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Foto: studio v-zwoelf - stock.adobe.co

In Niedersachsen lag die Armutsgefährdungsquote im Jahr 2021 in Niedersachsen bei 16,8%. Wie das Landesamt für Statistik Niedersachsen (LSN) mitteilte, waren damit circa 1,3 Millionen Menschen von relativer Einkommensarmut betroffen. Deutschlandweit betrug die Quote 16,6%.

Als armutsgefährdet gilt, wer weniger als 60% des durchschnittlichen monatlichen Haushaltsnettoeinkommens zur Verfügung hat. Die Armutsgefährdungsschwelle lag 2021 in Niedersachsen für einen Einpersonenhaushalt bei 1.117 Euro, für einen Haushalt mit zwei Erwachsenen und zwei Kindern unter 14 Jahren bei 2.346 Euro. Bei Haushalten von Alleinerziehenden mit einem Kind unter 14 Jahren waren es 1.452 Euro.

Matthias ist armutsbetroffen

Matthias lebt in Armut. Bis vor acht Jahren hatte er einen gut bezahlten Job, den er verloren hat. Er erhielt Arbeitslosengeld, fand jedoch keine neue Arbeit und rutschte in Harzt IV. "Man kann schneller in so eine Situation reinrutschen, als man denkt. Das hätte ich früher auch nicht gedacht", gesteht Matthias im Antenne Niedersachsen-Interview.

Er hat aufgrund der Armut rund 90 Prozent seines Freundeskreises verloren, schätzt der 61-Jährige. Abends weggehen, Essen gehen oder Markenprodukte kaufen kann sich Matthias nicht leisten. Hinzu kommen steigende Energie- und Lebensmittelpreise. "Dass das Toastbrot früher 99 Cent gekostet hat und jetzt 1,29 Euro kostet, das wirkt sich insgesamt schon ganz schön aus", erklärt Matthias im Interview mit und . Er spricht darüber, weshalb er seine Armut zu Beginn geheim gehalten hat und warum er sich wünscht, dass ihm Personen weiterhin mit Respekt begegnen.

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Symbolbild: Die Silhouette eines Mannes ist zu sehen.
12.12.2022
Matthias lebt in Armut
Einblicke in sein Leben
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"Ich glaube, Geld macht nicht glücklich, aber kein Geld zu haben macht unglücklich und krank"

Mareice Kaiser ist Autorin und Journalistin. Sie hat das Buch "Wie viel. Was wir mit Geld machen und was Geld mit uns macht" geschrieben. Dafür hat sie mit Menschen gesprochen, die sehr viel und sehr wenig Geld haben, aber auch mit Personen, die dazwischen liegen.

Im Interview mit und spricht Mareice u.a. darüber, wie schwer es war mit Menschen über Geld zu reden, warum wir in Deutschland so ungern über Geld sprechen, welche Auswirkungen Armut auf Menschen hat und wie wir das Thema Armut enttabuisieren können.

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Mareice Kaiser, Foto: Oğuz Yılmaz
12.12.2022
Interview mit Mareice Kaiser
"Kein Geld zu haben macht unglücklich und krank"
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"Es geht darum, Menschen zu helfen ohne sie zu beleidigen"

"Armut heißt in unserer reichen Gesellschaft nicht unbedingt, dass man kurz vorm Verhungern ist oder unter Brücken schläft. Armut ist für uns schon dann gegeben, wenn man einfach nicht mehr mithalten kann und abgehängt ist", erklärt Dr. Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands. Dazu zählt z.B. keinen Musikunterricht für Instrumente zu nehmen, nicht mehr in den Sportverein gehen zu können oder die eigenen Kinder nicht auf Kindergeburtstage zu schicken, weil kein Geld für Geschenke da ist.

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Darüber sprechen statt schweigen

Die Antenne Niedersachsen Tabu-Woche

Depressionen, sexualisierte Gewalt oder Analphabetismus - über diese und weitere Themen schweigen wir in unserer Gesellschaft lieber statt darüber zu sprechen. Timm "Doppel-M" Busche und der Schollmayer brechen das Schweigen und sprechen mit Betroffenen sowie Expertinnen und Experten über diese Themen.

Doch neben finanziellen Hilfen geht es auch um das menschliche Miteinander, sagt Ulrich Schneider: "Es geht nicht immer nur um das Geld. Es geht auch darum, dass die Menschen erfahren 'Ich bin etwas wert und man mag mich.' Aber dazu muss man auch etwas die Augen aufhalten und Armut erkennen. Armut kommt nicht häufig vor die Tür, man muss genau hinschauen."

Auch jede und jeder einzelne von uns kann helfen, erklärt Ulrich Schneider: "Wenn wir anfangen, Vorurteile wie 'Wer arm ist, ist selbst schuld', 'Wer reich ist, hat alles verdient' zu hinterfragen und uns fragen, was kann Solidarität einer Gesellschaft bedeuten?", dann könne ein Umdenken stattfinden.

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12.12.2022
Interview mit Ulrich Schneider
"Es geht darum, Menschen zu helfen ohne sie zu beleidigen"
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Hilfsansgebote

"Die Armut hat meist einen spezifischen Hintergrund", erklärt Schneider. Dementsprechend gibt es unterschiedliche Hilfsangebote für Personen. "Wichtig sind unsere Schuldnerberatungsstellen und da kann ich immer nur wieder sagen: Früh hingehen und nicht warten, bis einem das Wasser bis zum Halse steht", so Schneider. Hier wird Personen geholfen, wenn sie z.B. aufgrund der Schulden auch Angst vor Wohnungsverlust haben.

Wir haben euch einige Hilfsangebote hier aufgelistet:

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