07. November 2020 – Maximilian Wilsmann (deaktiviert)

Nach langer Auszählung

Joe Biden gewinnt Präsidentenwahl in den USA

Der neue US-Präsident heißt Joe Biden, zumindest auf dem Papier. Der Demokrat hat die erforderliche Zahl von 270 Wahlmännern erreicht. Sein Kontrahent Donald Trump wittert allerdings Betrug und kündigte an, vor Gericht zu ziehen.

Biden Sieger.jpg
Foto: picture alliance/dpa

Joe Biden wird der 46. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Mit nun 273 Wahlmännerstimmen kann Trump ihn nicht mehr einholen. Was bei Barack Obama 2012 schon in den frühen Morgenstunden am Tag nach der Wahl klar war, hat bei dieser Wahl historisch lang gedauert. Erst am Mittwochnachmittag zeichnete sich langsam ab, dass Joe Biden die Präsidentschaftswahl doch noch gewinnen könnte, nachdem sich Trump trotz laufender Stimmzählungen am Morgen schon zum Sieger erklärt hatte.

Trotzdem dauerte es noch bis zum Samstagabend, bis Joe Biden die erforderlichen 270 Wahlmännerstimmen erreichte. Durch den Sieg in Pennsylvania kann Trump ihm den Erfolg nicht mehr nehmen. Selbst wenn Trump jetzt alle verbliebenen Staaten, aus denen es noch kein Ergebnis gibt, gewinnt, ist Biden Präsident - zumindest theoretisch. Denn Donald Trump hat gegen die Ergebnisse in einigen Bundesstaaten bereits juristische Schritte eingeleitet.

So lief die Wahlnacht

Die Wahl 2020 brach einige Rekorde. Nie zuvor stimmten so viele Amerikaner über ihren Präsidenten ab. Am Samstag wurden bereits über 147 Millionen Stimmen gezählt und immer noch gibt es Wahlzettel, die noch gezählt werden müssen. Neben der Menge der Stimmen war auch die Zahl der Briefwähler außergewöhnlich hoch. Das führte dazu, dass die Auszählung der Stimmen deutlich länger dauert, als bei den vergangenen Wahlen.

Nachdem anfangs vor allem die Hochburgen der Demokraten und Republikaner ihre Ergebnisse verkündeten, wurde es am Mittwochmorgen spannend. Die heiß umkämpften Staaten Florida und Ohio gingen an Donald Trump. Bei noch acht ausstehenden Ergebnissen, wovon Alaska (Republikaner) und Hawaii (Demokraten) zwar abzusehen waren, die sechs anderen Ergebnisse aber noch völlig offen waren, erklärte sich Donald Trump in einer Rede im Weißen Haus gegen 8.00 Uhr deutscher Zeit, zum Wahlsieger. Die Auszählung in den verbleibenden Staaten müsse gestoppt werden, er werde vor den Supreme Court ziehen, so Trump in seiner Rede.

Hintergrund: Zu diesem Zeitpunkt lag Joe Biden zwar in der Anzahl der Wahlmänner in Führung, Trump lag aber in fünf der sechs ausstehenden Swing States vorne und hätte die Wahl zu diesem Zeitpunkt gewonnen.

Das geschah nach dem Wahltag

Während Trump sich trotz einem Stand von 238:213 Wahlmännern für Joe Biden siegessicher in die Nacht begab, zählten einige Wahlhelfer weiter fleißig Stimmen. So überholte Joe Biden seinen Gegner am Mittwochnachmittag deutscher Zeit erst in Wisconsin (10 Wahlmänner) und dann in Michigan (16 Wahlmänner). Zusammen mit Nevada (6 Wahlmänner) und Arizona (11 Wahlmänner), wo Biden bereits führte, lag der Demokrat damit auf Siegeskurs, da dieses Ergebnis zu genau 270 Wahlmännern reicht.

Am Mittwochabend vermeldeten Wisconsin und Michigan dann jeweils den Sieg Bidens. Am Freitag überholte der Kandidat der Demokraten den amtierenden Präsidenten zudem in Georgia und Pennsylvania. Am Samstag herrschte dann endlich Klarheit: US-Amerikanische Medien berichteten übereinstimmend von Bidens Sieg in Pennsylvania (20 Wahlmänner), sodass er nun mit 273 Wahlmännerstimmen uneinholbar vorne liegt. So kann ihm das Ergebnis in den ausstehenden Staaten North Carolina, Georgia, Arizona und Nevada egal sein, denn selbst falls Donald Trump diese Staaten gewinnt, kann er Biden nicht mehr einholen.

Auch beim sogenannten "Popular Vote", also der tatsächlichen Anzahl der Stimmen, liegt Joe Biden vor Donald Trump - sogar noch deutlicher als bei den Wahlmännern. 74,8 Millionen Stimmen wurden bis zum Donnerstagabend für den Demokraten gezählt, Trump bekam 70,6 Millionen Stimmen. Die Zahlen werden zudem noch steigen, da noch nicht alle Stimmen ausgezählt sind. Mit über 74 Millionen Stimmen bekommt Joe Biden auch die meisten Stimmen, die ein US-Präsident je bei einer Wahl bekommen hat. Dass Biden den bisherigen Rekord von ca. 69,5 Millionen Stimmen (2008 für Barack Obama) überbot, liegt allerdings mehr an der hohen Wahlbeteiligung als an einem hervorragenden Ergebnis.

Bizarre Behauptungen - landet die Wahl vor Gericht?

Schon Monate vor der Wahl streute der US-Präsident Zweifel. Briefwahl führe zu Wahlbetrug ist seine bis heute häufigste und unbelegte These, die er immer wieder in den Raum stellte. Ein vermeintlich schlauer Schachzug, denn zum einen wählten ein Großteil der Briefwähler Joe Biden und zum anderen werden die Briefwahlstimmen in vielen Bundesstaaten erst nach den Stimmen gezählt, die am Wahltag abgegeben wurden. Somit lag Trump in den entscheidenden Swing States lange vorn, ehe ihn Joe Biden im Laufe der Auszählung überholte.

Genau das veranlasste Trump seine vorhersehbare, aber offensichtlich effektive Taktik zu fahren. Gegen Dienstagabend zu amerikanischer Zeit, also in den Morgenstunden unseres Mittwochs, erklärte er sich zum Wahlsieger. Er würde so weit vorne liegen, dass die Demokraten ihn nicht mehr einholen können. Die Stimmzählung müsste gestoppt werden und er werde dafür vor den Supreme Court ziehen. Als die Nacht in den USA vorüber war, kam der erwartbare zweite Zug. Denn nun lag Biden vorne, was laut Trump ein klares Zeichen für Betrug sei. In Wisconsin und Michigan forderte der amtierende Präsident die Neuzählung der Stimmen.

In mehreren Tweets verbreitete Trump Gerüchte über die Wahl. Er behauptete, er hätte Staaten gewonnen, die noch nicht vollständig ausgezählt waren. Immer wieder forderte er, das Zählen der Stimmen zu stoppen. Dazu behauptete er, die Stimmen für Joe Biden, seien "irgendwo aufgetaucht". Dass es normal ist, dass beide Kandidaten Stimmen erhalten, wenn noch Stimmzettel gezählt werden müssen und dass eine demokratische Wahl dann vorbei ist, wenn alle Stimmzettel gezählt worden sind, stört ihn nicht. Auch die Auswirkung auf Trump-Anhänger, die auf die Straße gingen und teilweise mit Waffen dafür protestierten, die Zählung zu stoppen, interessiert ihn nicht.

Allerdings ebnete Trump so den Weg, um vor Gericht ziehen zu können und gegen das Wahlergebnis zu klagen. Gegen die Ergebnisse aus einigen Bundesstaaten hat der Republikaner bereits rechtliche Schritte eingeleitet, der Ausgang ist offen. Dementsprechend ist die Lage ungewiss. Dass Joe Biden am 20. Januar 2021 als 46. Präsident der Vereinigten Staaten vereidigt wird, scheint zumindest aktuell noch nicht klar.

undefined
Antenne Niedersachsen
Audiothek