15. September 2020 – Maximilian Wilsmann (deaktiviert)

Notwehr oder Totschlag?

Nach Überfall auf Juwelier in Celle: Inhaber äußert sich zur Tat

Am Montag ereignete sich in der Celler Altstadt ein mutmaßlicher Überfall. Zwei Männer bedrohten die Inhaber, daraufhin wurden sie erschossen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Totschlags. Jetzt hat sich der Inhaber geäußert.

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Foto: picture alliance/dpa

Nach einem mutmaßlichen Überfall auf ein Juweliergeschäft in der Celler Innenstadt stehen die Ermittler vor vielen offenen Fragen. Nach dem aktuellen Stand haben zwei bewaffnete Männer, einer davon in einem Rollstuhl, am Montag das Geschäft betreten. Zu dem Zeitpunkt befanden sich im Ladeninneren nur der 71-Jährige Besitzer und seine 72-Jährige Frau.

Nachdem die Männer das Geschäft betreten hatten, fielen mehrere Schüsse. Mindestens zwei der Schüsse trafen die mutmaßlichen Täter, einer der Männer starb vor Ort, der andere erlag seinen Verletzungen am Montagabend im Krankenhaus, wie die Deutsche Presse Agentur (DPA) berichtet. Der exakte Tatablauf sei bisher aber unklar, da in dem Geschäft keine Überwachungskamera installiert ist und der Staatsanwaltschaft noch keine offiziellen Aussagen des Inhabers vorliegen. Deshalb sucht die Polizei nun nach Zeugen. Die Identität von einem der beiden Männer die den mutmaßlichen Überfall durchführen wollten, ist bekannt, es handelt sich um einen 35-Jährigen. Die Identität seines Begleiters ist noch ungeklärt.

Geschäftsbetreiber äußert sich zur Tat

Auch wenn der Staatsanwaltschaft und den Ermittlern noch keine offiziellen Aussagen des Inhabers vorliegen, die "BILD"-Zeitung berichtet über ein Gespräch mit dem 71-Jährigen Ladenbesitzer. Demnach saß einer der Täter nur zur Tarnung im Rollstuhl. Sein Komplize soll den Stuhl kräftig gegen den Tresen gerollt haben und der vermeintliche Rollstuhlfahrer sei aufgesprungen und habe sich auf die Frau des Ladenbesitzers gestürzt.

Anschließend habe der Besitzer seinen Revolver unter dem Tresen gegriffen und dem Täter, der seine Frau würgte, in den Kopf geschossen. Der zweite Mann, der den Überfall durchführen wollte stand im Laden und zielte mit einer Pistole auf den Inhaber. Auch auf diesen Täter schoss der Inhaber und traf ihn in der Brust, berichtet die "BILD".

Gilt die Verteidigung als Notwehr?

Da der Tathergang bisher ungeklärt ist, stellt sich die Frage, ob der Besitzer des Juweliergeschäfts aus Notwehr gehandelt hat oder ob die Schüsse auf die beiden Männer als Totschlag gelten. Deshalb ermittelt nun die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf Totschlag gegen den Ladenbesitzer. "Auf den ersten Blick sieht es nach Notwehr aus, das muss nun im Einzelnen geprüft werden", sagt die Sprecherin der Anklagebehörde Stefanie Vogler.

Der 71-Jährige ist demnach Besitzer einer gültigen Waffenbesitzkarte und durfte die Schusswaffe benutzen. Waffenbesitzkarten erlauben den Erwerb und Besitz von Waffen, wenn der Besitzer die persönliche Eignung zum Umgang mit Waffen nachweist und Sachkundig ist. Außerdem muss das "Bedürfnis" nach einer Waffe nachgewiesen werden, wie zum Beispiel bei Jägern oder eben Menschen, die wesentlich mehr als die Allgemeinheit durch Angriffe gefährdet sind. Ob der Ladenbesitzer rechtlich gesehen aus Notwehr gehandelt hat, wird jetzt geprüft.

Information: Das Recht auf Notwehr

Wer angegriffen wird, darf sich verteidigen - das ist die Kernaussage des Rechts auf Notwehr. In Paragraf 227 des Bürgerlichen Gesetzbuches wird es definiert als «Verteidigung, welche erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden». Im Strafgesetzbuch heißt es in Paragraf 32 dazu: «Wer eine Tat begeht, die durch Notwehr geboten ist, handelt nicht rechtswidrig.» Außerdem wird in Paragraf 33 des Strafgesetzbuches festgehalten: «Überschreitet der Täter die Grenzen der Notwehr aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken, so wird er nicht bestraft.» Das kann der Fall sein, wenn sich jemand beispielsweise aus großer Angst stärker wehrt als er müsste, um einen Angriff abzuwehren.

Juweliergeschäfte beherbergen hohe Beute

Dass Juweliere in Deutschland Ziel von bewaffneten Überfällen werden, ist nicht unüblich. In einigen vergangenen Fällen wurden dabei auch Mitarbeiter verletzt oder kamen sogar ums Leben. Deshalb verfügen Inhaber häufiger zum eigenen Schutz über eine Waffe, da der Wert der Waren, die sich im Laden befinden, oft sehr hoch ist.

Auch in dem Celler Juweliergeschäft wurden neben Schmuck auch Uhren, teures Porzellan und andere Antiquitäten angeboten, so die DPA. Zuletzt haben die Ermittler weitere Spuren am Tatort gesichert. Dazu nahm die Polizei Fingerabdrücke von der Eingangstür des Juweliergeschäftes. Der Bereich rund um das Geschäft ist mit rot-weißen Flatterband abgesperrt worden.

(Erstellt mit Material der DPA)

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