31. März 2025 –

Staatliche Überreaktion?

Zweiter Tag: Kein faires Verfahren gegen Klette möglich?

Das Landgericht Verden wird sich am Dienstag mit mehreren Anträgen der Anwälte von Daniela Klette beschäftigen. Im Zentrum steht die linksextreme Vergangenheit der 66-jährigen mutmaßlichen Räuberin.

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25.03.2025: Daniela Klette sitzt im Oberlandesgericht Celle im Gerichtssaal. Die Ermittler werfen Klette versuchten Mord, unerlaubten Waffenbesitz sowie versuchten und vollendeten schweren Raub vor. Es geht um Raubüberfälle auf Geldtransporter und Supermärkte in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein. (zu dpa: «Zweiter Tag: Kein faires Verfahren gegen Klette möglich?») +++ dpa-Bildfunk +++, Foto: picture alliance/dpa/Reuters/Pool

Die mutmaßliche Ex-RAF-Terroristin Daniela Klette sieht sich vom Staat als «politische Feindin» verfolgt und fordert die Einstellung des Strafverfahrens gegen sie. Sie ist vor dem Landgericht Verden wegen einer Serie von Raubüberfällen angeklagt, unter anderem wird der 66-Jährigen versuchter Mord vorgeworfen. Am zweiten Verhandlungstag beschäftigen sich die Richter unter anderem mit dem Antrag der Verteidigung auf Verfahrenseinstellung. Zeugen sind für den 1. April nicht geladen.

«Dieser Prozess wird mit politischem Kalkül geführt», kritisierte Klette beim Verhandlungsauftakt vor einer Woche. Die jahrelange Fahndung nach ihr und ihren Komplizen bezeichnete sie als «Jagd nach politischen Feind:innen, nicht nach Räuber:innen».

Forscher: Strategie ähnlich wie in früheren RAF-Prozessen

Für den Extremismusforscher Alexander Straßner ist die Verteidigungsstrategie keine Überraschung. «Die Verteidigung nutzt die öffentliche Vorverurteilung Klettes als mutmaßliches RAF-Mitglied, das Ganze als politisches Verfahren darzustellen», sagte der Politikwissenschaftler der Universität Regensburg der dpa. Straßner hat diese Strategie erwartet. Ähnliche Fehler seien bereits in den RAF-Prozessen der 1970er und 80er Jahre gemacht worden, sagte der Wissenschaftler vorab der «Neuen Osnabrücker Zeitung».

Klette wird vorgeworfen, als Mitglied einer Bande gemeinsam mit Burkhard Garweg (56) und Ernst-Volker Staub (70) Kassenbüros von Einkaufsmärkten und Geldtransporter überfallen und mehr als 2,7 Millionen Euro erbeutet zu haben. Ihre mutmaßlichen Komplizen sind weiter auf der Flucht. Das Trio wird der dritten Generation der Roten Armee Fraktion (RAF) zugerechnet. Diese linksextremistische Gruppe war über Jahrzehnte der Inbegriff von Terror und Mord in Deutschland. 1998 erklärte sie ihre Auflösung.

Sind die Sicherheitsmaßnahmen übertrieben?

Für den Prozess gebe es eine «wirre und hysterische Sicherheitsvorkehrung», kritisierte Klette in ihrem Statement. Aus Sicherheitsgründen wird zunächst nicht in Verden, sondern im Staatsschutzsaal des Oberlandesgerichts (OLG) Celle verhandelt. Die als RAF-Terroristin gesuchte gebürtige Karlsruherin war möglicherweise 1990 - möglicherweise auch schon früher - untergetaucht. Im Februar 2024 wurde sie in Berlin-Kreuzberg festgenommen, wo sie unter falschem Namen lebte.

In ihrem Antrag argumentiert die Verteidigung, dass gegen die 66-Jährige kein fairer, rechtsstaatlicher Prozess möglich sei. Allein das Ausmaß der Sicherheitsmaßnahmen weise Anzeichen eines Terrorismusverfahrens und damit einer Vorverurteilung Klettes auf, kritisieren ihre Rechtsanwälte.

Wissenschaftler: Staat neigt zu «Überreaktion»

Dazu sagte Extremismusforscher Straßner: «Der Staat neigt in der Auseinandersetzung mit ehemaligen Systemfeinden immer ein bisschen zu Überreaktion.» Er verstehe dies ein Stück weit, sagte der Politologe: Klette sei jemand, der vermutlich der linksterroristischen Organisation angehört habe und jetzt aber nur vor Gericht gestellt werden könne wegen anderweitiger Zusammenhänge, die mit der terroristischen Gruppe nichts zu tun hätten.

Gegen die 66-Jährige besteht auch ein Haftbefehl unter anderem wegen versuchten Mordes in Zusammenhang mit drei RAF-Anschlägen im Zeitraum von 1990 bis 1993. Es könnte also noch eine weitere Anklage und einen weiteren Gerichtsprozess geben - unabhängig vom aktuellen Verfahren.

(dpa)

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