25. Juli 2023 –

Zeitraum von einer Million Jahren für Lagerung

Rückbau in Gorleben dauert Jahre - 2024 wird das Salz verfüllt

Nach jahrelangem Streit um den Standort Gorleben ist der Salzstock im Wendland aus der Endlagersucher herausgefallen. Nun wird zurückgebaut. Auch das wird Jahre dauern. Die Sorgen um das Zwischenlager steigen.

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04.07.2023: Der Turm (hinten) von „Schacht Gorleben 2“ auf dem Gelände vom ehemaligen Erkundungswerk Gorleben. , Foto: picture alliance/dpa

Gespenstisch leer und still wirkt das Gelände des Salzstocks in Gorleben. Die Schächte im Bergwerk und die Büroräume sind größtenteils verwaist. "Glück auf" begrüßen sich die vereinzelten Kollegen der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE), obwohl unter Tage kaum noch gearbeitet wird. "Zu Zeiten der Erkundung 2010 bis 2012 waren wir mal bis zu 250, jetzt sind es noch etwa 40", sagt Christian Islinger. In der Hochphase gab es eine eigene Bohrmannschaft auf dem weitläufigen Gelände, die Kosten für die Erkundung eines Teilstücks des Bergwerks beliefen sich auf rund zwei Milliarden Euro.

Seit 33 Jahren arbeitet der Geologe für die BGE, hat die schwierige Zeit der Castortransporte ins Zwischenlager miterlebt, das schräg gegenüber in einem bewaldeten, unbewohnten Gebiet im Wendland liegt. Dort warten in einer oberirdischen Halle 113 Castorbehälter. Und nun wird Islinger den Rückbau des Bergwerks mitplanen, nachdem der so heftig und lange umkämpfte Salzstock im Vierländereck mit Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Sachsen-Anhalt 2020 wegen geologischer Mängel aus der Suche nach einem Atommüll-Endlager ausgeschieden ist.

"Dieses Jahrzehnt wird man mindestens mit der Abwicklung beschäftigt sein", meint der 61-Jährige. Mitte 2024 soll es mit der Verfüllung des Salzes in das Bergwerk losgehen, danach werden die beiden hohen Schächte verschlossen. Auf einer überdimensionalen Halde lagern in festem Zustand 400 000 Tonnen Salz. "Es waren einmal 690 000 Tonnen, die man im Bergwerk teilweise nach Sprengungen abgebaut hat", erzählt Islinger.

40 Prozent seien durch Regenwasser in die Nordsee geflossen. Aber nicht ungefiltert. Über zwei Rückhaltebecken werde es ganz vorsichtig über eine fünf Kilometer lange Leitung in die Elbe eingeleitet, und auch nur, wenn der Pegelstand bei Neu Darchau über 1,45 Meter steige. "Das ist eine homöopathische Dosis Salz, die wir einleiten", sagt Islinger. Und sie werde akribisch dokumentiert.

Betriebselektriker Thomas Müller hat 20 Jahre unter Tage gearbeitet, insgesamt ist er 37 Jahre dabei. "Das ist ein komisches Gefühl, wenn das Ding zugeht", sagt er im Schaltraum, wo er die ganze Anlage überwacht. "Für die Kollegen vor Ort war es nicht immer leicht, zum Teil wurden sie persönlich angefeindet, dabei haben sie nur ihre Arbeit im Auftrag der Bundesrepublik gemacht", sagt Monika Hotopp, Pressesprecherin der BGE, mit Blick auf die Zeit der Anti-Atomkraft-Demonstrationen.

Lagerung des Atommülls: Zeitraum von einer Million Jahren im Blick haben

Man müsse für die Lagerung des Atommülls einen Zeitraum von einer Million Jahren im Blick haben. "Dieser Standort hat uns gezeigt, dass er einer Eiszeit standhält. Die letzte war vor 11 000 Jahren und hat keine Veränderung des Salzstocks bewirkt", erklärt Islinger. "Das Endlager muss sicher sein, auch wenn es den Menschen nicht mehr gibt."

Die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg demonstriert immer noch sonntags vor den Toren der umstrittenen Anlage. Die Beerdigung des Endlagers sei "das Wunder von Gorleben", meint BI-Sprecher Wolfgang Ehmke. Dass trotzdem demonstriert wird, hat zwei Gründe. Zum einen sei das Wendland von der Endlagersuche gleich mit vier Tongebieten berührt, zum anderen bleibe Gorleben mit dem Lager für schwach- und mittelaktive Abfälle und dem Castorlager Atommüllstandort, erklärt der langjährige Kämpfer.

Solange es kein Atommüllendlager gibt, wird der Müll obertägig gelagert, wie im Falle Gorleben weit über die einst genehmigte Zeit hinaus. Die Genehmigung für das Zwischenlager erlischt 2034. Ehmke fordert eine oberirdische Verbunkerung. Sechs Jahre vor dem Ende der Genehmigung müsse die zuständige Bundesgesellschaft für Zwischenlagerung (BGZ) zudem den Verbleib der eingelagerten Brennelemente nachweisen. Dieser Zeitpunkt wird in Gorleben schon 2028 erreicht.

Das treibt auch Dagmar Schulz, Landrätin im Kreis Lüchow-Dannenberg, um: "Die Betriebsgenehmigung läuft aus, da müssen die Sicherheitskriterien noch einmal genauer betrachtet werden. Das Material verändert sich, wie lange sind die Behälter sicher?"

Die große Besorgnis sei, dass die bestehende Genehmigung einfach verlängert werde, meint Martin Donat, Vorsitzender des Ausschusses Atomanlagen im Kreistag: "Eigentlich können wir ein Jahrhundert Zwischenlager einplanen." Er fordert eine vollständige Überprüfung und Härtung des Lagers, um gegen Flugzeugabstürze, Kriegseinwirkungen und Terroranschläge besser gewappnet zu sein.

(dpa)

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