14. April 2023 –

Wahl eines neuen Landesparlaments

Das kleinste Bundesland Bremen wählt - Revanche für die SPD?

Bremen steckt voller Widersprüche: Ein starker Wirtschaftsstandort, aber viele Menschen sind arm, die Schulen schlecht. Wer soll die Probleme lösen - jemand neues? Oder bekommt die SPD wieder einmal die Kurve?

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13.04.2023: Wahlplakate verschiedener Parteien stehen am Straßenrand. Die nächste Bremische Bürgerschaft wird am 14. Mai gewählt., Foto: picture alliance/dpa

Wenn in Bremen am 14. Mai ein neues Landesparlament gewählt wird, geht es um eine in der Bundesrepublik einmalige Serie. Seit die Besatzungsmacht nach dem Zweiten Weltkrieg 1945 den SPD-Mann Wilhelm Kaisen zum Bürgermeister berief, ist das kleinste Bundesland immer von Sozialdemokraten regiert worden. Nicht einmal die CSU in Bayern kann auf fast acht Jahrzehnte ununterbrochener Herrschaft zurückschauen.

2019 wäre die Serie der Bremer SPD allerdings fast gerissen; erstmals kam die CDU auf Platz eins. Doch die SPD hielt sich in einem für Westdeutschland einmaligen Bündnis mit Grünen und Linkspartei an der Regierung. Bei der kommenden Wahl zur Bremischen Bürgerschaft hat die SPD mit Bürgermeister Andreas Bovenschulte die Chance, diese Wahlscharte auszuwetzen. "Lasst uns alles dafür tun, dass die SPD am 14. Mai als Sieger über die Ziellinie geht", sagt Bovenschulte.

CDU knapp hinter SPD

Denn ein SPD-Sieg ist kein Selbstläufer: Die CDU mit ihrem Spitzenkandidaten Frank Imhoff lag bei der jüngsten Umfrage von Anfang März mit 27 Prozent nur knapp hinter der SPD mit ihren 28 Prozent. Der Wahlsieg der CDU bei der Wiederholung der Abgeordnetenhauswahl in Berlin beflügelt die Christdemokraten auch an der Weser. Eine Fortsetzung von Rot-Grün-Rot ist deshalb in Bremen nur eins der möglichen Wahlergebnisse.

Im vergangenen Jahr wurden Landtagswahlen von den Großthemen Ukraine, Energienot und Inflation beherrscht. In Bremen geht es dagegen nach Einschätzung des Politologen Lothar Probst eher um Bremen selbst. Das kleine Bundesland aus den Städten Bremen und Bremerhaven steckt voller Widersprüche. Die Häfen, das weltweit zweitgrößte Mercedes-Werk und viele Unternehmen der Luft- und Raumfahrt machen Bremen zum starken Wirtschaftsstandort. Gleichzeitig ist die Arbeitslosigkeit hoch, viele Menschen sind auf Sozialhilfe angewiesen. Das Bremer Schulsystem belegt in Studien regelmäßig die hinteren Plätze. Und das Land sitzt auf einem Berg von Schulden.

Einige Ärgernisse teilen Bremer mit den Wählern in Berlin, wie der frühere Politikprofessor Probst von der Uni Bremen beobachtet: "Der Unmut über die Verwaltung, über umstrittene Verkehrsversuche, über die Zustände an den Schulen und die wahrgenommene Kriminalität ist in Bremen ähnlich ausgeprägt wie in Berlin." Den Unterschied sieht der Politologe bei den SPD-Spitzenkandidaten: Anders als Franziska Giffey in der Hauptstadt führe Bovenschulte (57) in der Hansestadt die Sympathieskala an und habe einen klaren Amtsbonus.

Der Jurist kam 2019 kurz vor Ende des Koalitionsverhandlungen aus den Kulissen und löste den SPD-Wahlverlierer Carsten Sieling ab. Als neuer Senatspräsident moderierte er seine Regierung geschickt und sorgte dafür, dass Bremen glimpflicher durch die Corona-Pandemie kam als andere Bundesländer. In Bremen blieben die Schulen länger offen, es wurde mehr und schneller geimpft. Bovenschulte wurde bundesweit ein gesuchter Gesprächspartner.

Der Corona-Erfolg wird auch zwei Ressortchefinnen von der Linkspartei gutgeschrieben: Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard und Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt, die pragmatisch Hilfen für die Betriebe organisierte. Die Grünen mit ihren Themen Klimaschutz und Verkehrswende konnten sich über vier Jahre weniger profilieren. Umweltsenatorin Maike Schaefer vergrätzte die Stadtgemeinschaft mit Verkehrsexperimenten in der Innenstadt. Die Partei schickt ihre Spitzenkandidatin mit einem schwachen Ergebnis in den Wahlkampf.

Einzige Trophäe der Bremer CDU 2019 war das Amt des Präsidenten der Bürgerschaft. Mit der Bekanntheit, die dieses Amt bringt, unternimmt Frank Imhoff (54) seinen Anlauf auf das Rathaus. Imhoff setzt darauf, dass die Wähler die SPD-Langzeitregierung satt haben. "Von den Verantwortlichen hier in dieser Stadt, immer wenn sie auf die Probleme angesprochen werden, gibt es Ausreden", sagt er.

Imhoff sieht die CDU als moderne Großstadtpartei und tritt im Tandem mit der Klimapolitikerin Wiebke Winter (27) auf. Ein junger CDU-Regierungschef wie Hendrik Wüst aus Nordrhein-Westfalen ist im Bremer Wahlkampf gern gesehen - ältere, konservative CDU-Politiker eher nicht. Dabei hat die Bremer CDU ihre Annäherung an die Grünen aufgegeben. Probst sieht vor allem in einer großen Koalition mit der SPD eine Regierungsperspektive für die Christdemokraten. Die gab es in Bremen schon von 1995 bis 2007.

Die FDP muss den Umfragen zufolge um den Wiedereinzug ins Parlament bangen. Ihr Spitzenkandidat, der Startup-Unternehmer Thore Schäck, setzt auf einen besonders autofreundlichen Kurs. Ungewöhnlich in Bremen ist, dass erstmals seit vielen Landtagswahlen in Deutschland die Alternative für Deutschland (AfD) nicht antritt. Der zerstrittene Landesverband schaffte es nicht, sich auf einen zulassungsfähigen Wahlvorschlag zur Bürgerschaft zu einigen. Die Stimmen aus dem rechten Wählerlager dürften vor allem der Gruppierung Bürger in Wut (BiW) zugute kommen. Sie hat damit Chancen, nicht nur in Bremerhaven, sondern auch in Bremen über die Fünf-Prozent-Hürde zu kommen.

(dpa)

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