23. Februar 2022 – Johanna Grüter
Außergewöhnliche Operationsvorbereitung
Karibik-Feeling im Marienhospital Ankum-Bersenbrück
OP-Haube auf, Urlaubs-Feeling an! Im Marienhospital Ankum-Bersenbrück werden Patienten mit einer Wärmedecke, beruhigenden Videos und Musik auf ihre Operation vorbereitet. Antenne Niedersachsen-Reporterin Sarah Buletta hat für Euch das besondere Entspannungs-Konzept ausprobiert!
Antenne Niedersachsen-Reporterin Sarah Buletta ist im Marienhospital Ankum-Bersenbrück in die Patienten-Rolle geschlüpft. Sie erlebt ein besonderes OP-Vorbereitungsprogramm, das sich der Chefarzt Dr. Heuer ausgedacht hat. Foto: Antenne Niedersachsen
Wohl alle von uns sind vor Operationen nervös und angespannt. Absolut nachvollziehbar, denn jeder Eingriff birgt auch ein gewisses Risiko. Das Osnabrücker Marienhospital Ankum-Bersenbrück der Niels-Stensen-Kliniken hat sich deshalb ein Konzept überlegt, um seine Patienten entspannt auf die OP vorzubereiten: eine aufblasbare Wärmedecke, beruhigende Musik und Videos erzeugen eine Wohlfühl-Atmosphäre, die die Patienten in die Narkose begleitet. Die Methode wird so konsequent und in diesem Ausmaß nur in Ankum angeboten. Unsere Antenne Niedersachsen-Reporterin Sarah Buletta hat sie ausprobiert!
Entspannung per Zufall
Doch was genau nutzt das Karibik-Feeling vor der OP? Entwickelt hat das Stressabbau-Konzept der Chefarzt des Marienhospitals Dr. Lars Heuer, der auch im Feld der Wärmetherapie promovierte. Wärmetherapie wird bereits seit längerem im Marienhospital genutzt. Zustande kam die Kombination aus Wärme, beruhigender Musik und Videos allerdings eher durch Zufall. Die Idee zu den projizierten Videos "war eigentlich ein Trick, den wir uns überlegt haben, weil wir an der Decke genau über den Patienten einen hässlichen Fleck hatten. Neben der Neonröhre war ein brauner, eurogroßer Wasserfleck, auf den die Patienten immer genau guckten", erzählt Dr. Heuer amüsiert. Abhilfe schafft hier ein Beamer, der unterschiedliche Videos an die Decke strahlt.
Die jeweiligen Bestandteile des Entspannungsprogramms sind nachweisliche Stresslinderer und werden in verschiedenen Krankenhäusern bereits einzeln zur Beruhigung genutzt. Hier im Marienhospital zeigt sich die Wirkung des Karibik-Feelings darin, dass die Patienten nach dem Eingriff weniger erschöpft sind und daher schneller nach Hause können. Der absinkende Blutdruck während der Entspannungsphase vor der Operation zeigt den Effekt der Beruhigungsmethode.
Vor dem Entspannungsprogramm gibt es in den meisten Fällen trotzdem noch die Vorbereitungstablette. Allerdings ist diese jetzt nur noch in abgemilderter Dosierung nötig. Damit wird auf Nummer Sicher gegangen, dass der Patient vor der OP auch wirklich relaxt ist.
Chefarzt Dr. Lars Heuer führt unsere Reporterin Sarah durch die Entspannungsmethode. Er hat die besondere OP-Vorbereitung im Marienhospital eingeführt. Foto: Antenne Niedersachsen
Auf der OP-Liege in Richtung Karibik
Antenne Niedersachsen-Reporterin Sarah schlüpft in die Rolle einer Patientin, um die Entspannungsmethode in Begleitung von Dr. Heuer und Krankenpfleger Erwin selbst auszuprobieren. In medizinischer Montur, einem Kasack, Gummischuhen und einer OP-Haube geht die Reise Richtung Tiefenentspannung los:
Auf der Operationsliege wird Sarah von Pfleger Erwin mit zwei vorgewärmten Decken ausgestattet. Eine davon dient als Kopfkissen, während Sarah mit der anderen zugedeckt wird. Zusätzlich werden ihre Beine durch eine ebenfalls warme Stütze angewinkelt. Im dünnen OP-Hemd müssen die Patienten also keinesfalls frieren. "Von allen Seiten ist es schön warm und wohlig", beschreibt unsere Reporterin ihre Situation auf der Liege. "Fühlt sich nicht so an, als ob ich gleich in den OP geschoben werde". Kurz darauf geht es in den OP-Vorbereitungsraum. Auch wenn Sarah nur beruflich auf der Liege auf dem Weg zu einer "Operation" ist, stellt sich trotzdem ein mulmiges Gefühl bei ihr ein: "Man wird automatisch in Situationen zurückversetzt, in denen man riesige Angst vor dem OP hatte."
Um Sarah und anderen Patienten diese Anspannung zu nehmen, bereitet Pfleger Erwin eine aufblasbare Wärmedecke vor. An der Zimmerdecke des abgedunkelten Vorbereitungsraums wird währenddessen ein Aquarium-Video abgespielt und atmosphärische Musik ist zu hören. Der "Warm Touch", wie die Wärmedecke korrekt heißt, wird mit einem Schlauch verbunden und plustert sich ähnlich wie ein Staubsaugerbeutel auf. Die wärmende Decke, die bereits auf dem Patienten liegt, dient jetzt zur Isolierung, denn der "Warm Touch" wird unter der ersten Decke platziert. Erwin erklärt, dass durch Luftschlitze in der Folie die Wärme gleichmäßig über den Körper der Patienten verteilt wird, und somit gegen Zittern hilft.
Relaxt zur Operation
Krankenpfleger Erwin (l) und Dr. Heuer (r) platzieren die ersten vorgewärmten Decken unter Sarahs Kopf, und über ihrem Körper. So müssen Patienten nicht im dünnen OP-Hemd frieren. Foto: Antenne Niedersachsen
Nachdem auch die warme Stütze unter ihren Beinen platziert ist, ist Sarah bereit für den OP-Vorbereitungsraum. Foto: Antenne Niedersachsen
Antenne Niedersachsen-Regionalreporterin Sarah liegt im OP-Vorbereitungszimmer und interviewt Pfleger Erwin. Chefarzt Dr. Heuer (r) begleitet den Ablauf. Foto: Antenne Niedersachsen
Der "Warm Touch" ist eine Folie mit Luftkammern und Schlitzen, die per Schlauch warme Luft über den Körper leiten. Sieht aus wie ein riesiger Staubsaugerbeutel! Foto: Antenne Niedersachsen
Hier seht ihr, wie der "Warm Touch" mit dem Schlauch verbunden ist. Foto: Antenne Niedersachsen
Voll aufgepustet sorgt die Wärmedecke für angenehme Temperaturen von bis zu 44 Grad. Reguläre Patienten warten jetzt auf das Einschlafen durch die Narkose. Foto: Antenne Niedersachsen
Langsam steigt die warme Luft über Sarahs Beine bis nach oben. "Das bräuchte ich für Zuhause", stellt sie fest. Das ist keinesfalls das erste Mal, dass das medizinische Personal diese Aussage hört. Auf bis zu 44 Grad kann die Temperatur ansteigen, und wird an die Wünsche des Patienten angepasst. Genauso ist es mit dem Video an der Decke. Falls Fische nicht das Richtige sind, kann der Patient sich auch für eine Städtereise oder Bergtour entscheiden. Für Kinder steht ein Extraprogramm mit "Shaun das Schaf"- oder "Janosch"-Comics zur Wahl, das sich bisher als äußerst wirkungsvolle Ablenkungsmethode bewiesen hat. Sarah hat sich für die bunten Fische im Korallenriff entschieden, damit auch wirklich Karibik-Stimmung einkehrt. Warm eingekuschelt und mit beruhigenden Bildern werden die Patienten im Regelfall dann narkotisiert und verbringen die Zeit zum Einschlafen mit einem Urlaubsgefühl.
Nach dem überstandenen Eingriff können die Patienten noch ein Wassereis im Aufwachraum bekommen, um den Kreislauf nach der Narkose wieder in Schwung zu bringen. Gleichzeitig werden die Schleimhäute nach der Beatmung befeuchtet und es wird für einen besseren Geschmack im Mund gesorgt. Obendrauf wird das Karibik-Entspannungsprogramm abgerundet.
Weshalb der Aufwand?
"Um die OP-Abläufe manchmal relativ straff zu halten, müssen die Patienten zeitnah bestellt werden, und warten dann unter Umständen eine Viertelstunde vor der Operation, bis sie letztendlich einschlafen. In der Zeit muss man es den Patienten so angenehm wie möglich machen", erklärt Chefarzt Dr. Heuer. Das außergewöhnliche Umsorgen der Patienten gehört im Marienhospital zum Standard und wird nicht in allen Krankenhäusern derartig angeboten.