28. Februar 2022 – Johanna Grüter (deaktiviert)

Nach Einführung der Tierklappe

"Abgabe-Welle" überlastet Tierheim Peine

Seit August 2021 hat das Tierheim Peine Niedersachsens einzige Tierklappe eingerichtet, durch die Halter ihre Vierbeiner anonym abgeben können. Seither wird das Angebot stark genutzt, sodass die Einrichtung die Abgabemöglichkeit temporär schließen musste. Wir waren mit Günther Diederichs vom Peiner Tierschutzverein im Antenne Niedersachsen-Interview!

tierklappe.png
Eine Mitarbeiterin steht vor der Tierklappe am Tierheim Peine. Immer wieder werden Tiere von ihren Besitzern wild ausgesetzt, weil sie den Gang ins Tierheim scheuen. Foto: picture alliance/dpa

Anonyme Abgabe führt zu "Abgabe-Welle"

Ein ehemaliger Hundetransporter ist in den Maschendrahtzaun vor dem Tierheim eingelassen. Drei Türen zeigen zur Straßenseite, die sich jeweils zu einer kleinen, abgetrennten Kammer öffnen lassen. Darin befinden sich je nach Tiergröße eine entsprechende Box und Decke. Dort setzt der Besitzer sein Haustier rein, legt eventuell noch die Unterlagen oder einen Brief mit einer Beschreibung zum Vierbeiner und dem Abgabegrund hinzu, und schließt die Tür. Bei den Tierheimmitarbeitern geht daraufhin ein Informationssignal ein, sodass das Haustier nicht länger als zehn Minuten in dem engen Raum verbringen muss, und direkt versorgt werden kann.

Ein tragisches Schicksal, dass den Fellnasen hier widerfährt. Trotzdem bietet die Tierklappe eine sicherere Abgabemöglichkeit als das Aussetzen in freier Natur. Mit dieser tiergerechten Option folgt jedoch eine große Last für das Peiner Tierheim. Durch die anonyme Abgabe ist die Hemmschwelle der Halter niedriger, das Tier loszuwerden. Deshalb sind die Kapazitäten des Tierheims nun ausgereizt. Daher hat sich die Einrichtung zwangsläufig für eine temporäre Schließung der Klappe entschieden (über die Öffnung der Tierklappe könnt ihr Euch telefonisch informieren). Innerhalb einer Nacht wurden 19 Rassekatzen abgegeben, erzählt Günter Diederichs, der erste Vorsitzende des Tierschutzvereins Peine und Umgegend e.V. Seit August sind insgesamt schon über einhundert Kleintiere aufgenommen worden. Die Summe wurde vor allem durch die Abgabe vieler Farb- und australischer Rennmäuse in die Höhe getrieben. Für sie hat der Platz im Tierheim gerade noch gereicht.

Zur Idee der Tierklappe wurden die Tierschützer im Frühjahr letzten Jahres bewegt, als sie bei winterlichen Temperaturen in einem Waldstück bei Ilsede Kaninchen und Meerschweinchen fanden. Die Kleintiere haben bei solchen Witterungsbedingungen keine Überlebenschance, und so wollte man es Menschen nicht mehr so einfach machen, ihre Tiere auszusetzen. Durch die Tierklappe sollen sich Halter ihrer Verantwortung für das Lebewesen bewusst werden und folglich die sicherere Abgabemöglichkeit vorziehen. Dadurch hat das Tier eine Chance auf ein neues Zuhause. Dieser neue Ansatz zeigt Wirkung, denn seit vergangenem Frühjahr wurden in der Peiner Region keine neuen Haustiere an Autobahnraststätten oder in Waldstücken gefunden. Die Tierschützer hoffen auf Tierklappen-Nachzügler, sodass mehr Vierbeiner sicher neu vermittelt werden können. Momentan ist die Peiner Tierklappe die einzige Tierklappe in Niedersachsen.

peine_interview.png
Günther Diederichs, der erste Vorsitzende des Tierschutzvereins Peine und Umgegend e.V., erzählt von der Situation des Tierheims nach Einführung der Tierklappe (im Hintergrund). Foto: Antenne Niedersachsen

Das Schicksal der "Corona-Tiere"

Das Angebot der Tierklappe wird erfreulicherweise stark genutzt. Doch woran liegt es, dass sich seit August eine solche Abgabewelle abzeichnet? Günter Diederichs sagt, dass sich die persönliche und anonyme Abgabe etwa die Waage halten. Allerdings stellt er fest, dass während der Corona-Pandemie vermehrt Vierbeiner im Peiner Tierheim aufgenommen wurden. Das liege nicht hauptsächlich daran, dass die Menschen ihrer Tiere überdrüssig seien, oder im langsam anlaufenden Alltag merken, dass sie das Tier doch nicht halten können. Nein, vermutet wird, dass der Hauptgrund für vermehrte Tierabgaben an mangelnden finanziellen Ressourcen liegt. Das lässt sich deshalb annehmen, da viele der aufgenommenen Tiere krank sind. Tierarztkosten können schnell in die Höhe schießen und müssen aus privater Tasche gezahlt werden, wodurch aufgrund der Pandemie einige Halter nicht mehr in der Lage sind, sich diese leisten zu können. In den vergangenen zwei Jahren brach vielen Menschen die zweite oder sogar erste Einkommensquelle weg, oder sie haben eine zu schmale Rente, sodass das Geld zur Grundversorgung oder einer ärztlichen Behandlung des Haustieres fehlt. Sie sind daher gezwungen, ihre Fellnasen schweren Herzens abzugeben. Neben regulären Haustierbesitzern haben auch Züchter angefangen, während der Lockdowns größere Mengen an Tieren zu züchten, da die Nachfrage während dieser Zeit besonders hoch war. Jedoch erkranken die Tiere durch zu schnelle Zucht, wodurch sich die Züchter ihrer entledigen müssen. Größere Tierbestände, wie die 19 Rassekatzen, werden somit häufiger auf einmal ausgesetzt oder abgegeben.

Der Vorsitzende des Tierschutzvereins befürchtet, dass die Abgabe-Welle gerade erst begonnen hat. Immer wieder trudeln im Tierheim verzweifelte Anrufe von Haltern ein, die bereits bei anderen Tierannahmestellen einen Platz zur Abgabe gesucht haben. Da diese allerdings auch schon überfüllt sind, ist Peine ihre letzte Hoffnung. So nutzen sie die anonyme Tierklappe als einzige und letzte Abgabemöglichkeit und das Tierheim wird immer voller. Um Menschen in Ausnahmesituationen anderweitig Unterstützung anbieten zu können, hat der Tierschutzverein auch eine "Tiertafel" gegründet. Dort erhalten Menschen nach Vorzeigen ihres Bedürfnisscheins Hundebetten, Futter, und sogar die Übernahme kleinerer Tierarztkosten stellt der Verein.

Momentan fehlt es dem Tierheim Peine am meisten an Platz, da es sich auch an die Vorgaben des Veterinäramts halten muss, wodurch die Anzahl an Tieren, die pro Einrichtung aufgenommen werden dürfen, begrenzt ist. Glücklicherweise gibt es einige Helfer, die die Schützlinge zeitweise bis zur Vermittlung bei sich aufnehmen und somit dem Tierheim Entlastung bieten.

Wie könnt ihr helfen?

Ihr möchtet den fell- und federtragenden Freunden helfen? Der Tierschutzverein und das Tierheim Peine nehmen jede Spende dankend an. Wenn euch das zu passiv ist, könnt ihr euch auch aktiv für das Tierwohl engagieren! Werdet Gassi-Geher und verbringt mit den Hunden eine schöne Zeit auf Spazierrunden oder bei Sportübungen auf der großen Rasenfläche des Tierheims.

Hier findet ihr alle Hilfsmöglichkeiten auf einen Blick: So helfen Sie – Tierheim Peine (tierheim-peine.de)

haehne.png
Diese drei Hähne laufen frei auf dem Gelände des Tierheims umher. Dabei besuchen sie Laufenten, Schweine und Katzen. Foto: Antenne Niedersachsen

undefined
Antenne Niedersachsen
Audiothek