13. April 2021 – Lea Biskup
In geschlossenen Räumen
Mit der Web-App "Heads" das Corona-Infektionsrisiko berechnen
Wie hoch ist das Risiko, sich in geschlossenen Räumen mit dem Coronavirus anzustecken? Diese Wahrscheinlichkeit lässt sich mit der Web-App "Heads" berechnen.
Foto: Halfpoint - stock.adobe.com
Mit der von Göttinger Wissenschaftlern entwickelten webbasierten App "Heads" können wir unser Corona-Infektionsrisiko in geschlossenen Räumen berechnen, wenn sich mindestens eine oder mehrere mit Corona infizierte Personen im Raum aufhalten. "Heads" ist die Abkürzung für "Human Emission of Aerosol and Droplet Statistics" und bedeutet so viel wie "Statistiken zur menschlichen Ausscheidung von Aerosolen und Tröpfchen". Dass die App webbasiert ist, heißt, sie ist über den Browser aufrufbar und muss nicht über den Google Play Store oder den Apple Store heruntergeladen werden
Ein Team des Max-Planck-Instituts für Dynamik und Selbstorganisation und des Instituts für Krankenhaushygiene und Infektiologie (IK&I) der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) hat die kostenlose Web-App entwickelt. Mit ihr lässt sich für Innenräume, die mit bis zu 100 Quadratmeter doppelt so groß wie ein Klassenzimmer sein können, berechnen, wie hoch das Corona-Infektionsrisiko für eine bestimmte Anzahl von Personen ist.
Berechnungsgrundlage
Der wesentliche Faktor bei der Verbreitung des Coronavirus sind Tröpfchen, die die Virusträger mit ihrer Atemluft abgeben. Dabei kann die Größe der einzelnen Tröpfchen variieren. Tröpfchen, die größer als etwa 50 Mikrometer sind, fallen schnell zu Boden. Das Ansteckungsrisiko lässt sich in diesen Fällen bereits minimieren, wenn Personen mindestens 1,5 Meter Abstand voneinander halten.
Tröpfchen mit weniger als 50 Mikrometer Durchmesser – das entspricht dem Radius eines feinen Frauenhaars – trocknen hingegen schnell, werden zu leichteren Teilchen und bleiben so länger in der Luft. Das Göttinger Forscherteam hat sich bei der Entwicklung der Heads-App auf die kleineren durch die Atemluft freigesetzten Aerosole konzentriert. Denn wie die Forschenden an mehr als 130 Probanden gemessen haben, enthält die ausgestoßene Atemluft sehr viele kleine und wenige große Aerosole. Daher trifft die App auch keine Aussage über das Risiko, sich durch Tröpfchen mit mehr als 50 Mikrometer Durchmesser zu infizieren, wenn man mit einem Virusträger auf kurze Distanz Kontakt hat.
Dennoch gilt auch bei den Aerosolen mit weniger als 50 Mikrometer Durchmesser: Je größer diese Tröpfchen beim Ausatmen sind, desto mehr Viren können sie enthalten, was das Infektionsrisiko beim Einatmen erhöht.
Foto: dpa
So funktioniert Heads
Auf der Seite von Heads kann zwischen der "vereinfachten Ansicht" und der "erweiterten Ansicht" ausgewählt werden. Für beide Ansichten müssen die selben Fragen beantwortet werden, um ein mögliches Corona-Infektionsrisiko zu berechnen:
- Befolgen Sie die Hygienevorschriften, halten Sie einen Abstand von > 1,5 m zueinander ein (warum?), und ist die Luft im Raum anfangs frisch?
- Wie groß ist der Raum in m²? Wie hoch ist er?
- Wie viele Menschen werden sich im Raum aufhalten? Wie alt sind sie (im Durchschnitt)?
- Wie viele von ihnen sind mit COVID-19 infiziert?
- Wie viele Minuten werden Sie im Raum sein?
- Was tun Sie dort?
Bei der erweiterten Ansicht werden die Auswirkungen z.B. von Belüftung oder das Tragen von Masken auf das Infektionsrisiko aufgeführt. Bei der vereinfachten Ansicht ist dies nicht der Fall.
Bei der Frage, wie viele der Personen mit Covid-19 infiziert sind, muss mindestens immer eine bzw. mehrere Personen angegeben werden. Befinden sich im Raum zu viele Personen, als dass diese den Sicherheitsabstand von 1,5 Metern einhalten könnten, errechnet Heads keine Infektionsrisiko, sondern gibt die maximale Personenzahl für die ausgewählte Raumgröße an.
Sobald alle Fragen entsprechend beantwortet sind, erscheint rechts oben auf der Heads-Seite eine Infektionsprognose in Form einer Ampel. Es wird angezeigt, wie hoch das Infektionsrisiko (basierend auf den angegebenen Daten) ist, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass mindestens eine Person infiziert wird und wie hoch das Risiko für jede einzelne nicht infizierte Person ist, sich anzustecken.
Screenshot: Heads/https://aerosol.ds.mpg.de/de/
Situation Abendessen
Bei der Beantwortung der Fragen greift Heads auf bestimmte Voreinstellungen zurück, die die ausgewählte Situation, in der wir uns befinden, genauer definieren. Nehmen wir als Beispiel folgendes Szenario:
- Ein Abendessen mit vier Personen, eine davon ist mit Covid-19 infiziert
- Das Durchschnittsalter beträgt 45 Jahre
- Der Raum hat eine Fläche von 30 m² und eine Höhe von 2,80 Meter
- Dauer des Essens: 60 Minuten
Bei der Situation "Abendessen" geht Heads davon aus, dass die Beteiligten während der Dauer des Essens folgende Dinge tun:
- Sprechen in normaler Lautstärke: 40 % der Zeit
- Lautes Reden: 5 % der Zeit
- Atmen: 55 % der Zeit
Daraus errechnet Heads, dass die Wahrscheinlichkeit, dass sich mindestens eine der drei nicht-infizierten Personen bei dem Abendessen ansteckt bei 61 Prozent liegt. Bei 100 Abendessen unter den oben ausgewählten Bedingungen nimmt Heads also an, dass sich bei 61 der 100 Abendessen eine der drei nicht-infizierten Personen mit dem Coronavirus infiziert. Das individuelle Risiko für jede der drei anwesenden Personen schätzt die App auf 27 Prozent.
Erhöht sich die Dauer des Abendessens von 60 Minuten auf 120 Minuten, steigert sich auch das berechnete Infektionsrisiko deutlich: Das generelle Risiko, dass sich mindestens eine der drei nicht-infizierten Personen infiziert steigt von 61 Prozent auf 88 Prozent. Das individuelle Infektionsrisiko für jede einzelne Person erhöht sich von 27 Prozent auf 51 Prozent.
Infektiöse Lehrkräfte laut Berechnungen gefährlicher als infektiöse Schüler*innen
Bei der Risikoberechnung einer möglichen Coronainfektion im Klassenzimmer zeigt Heads, dass das Infektionsrisiko bei einer Lehrkraft, die an Corona erkrankt ist, deutlich höher ist als bei infizierten Schüler*innen. Nehmen wir folgendes Szenario an:
- Eine Schulklasse mit 20 Personen, eine davon (Lehrkraft oder Schüler*in) ist mit Covid-19 infiziert
- Das Durchschnittsalter beträgt 18 Jahre
- Der Raum hat eine Fläche von 30 m² und eine Höhe von 2,80 Meter
- Dauer des Aufenthalts: 45 Minuten
Infektiöse Lehrkraft:
Die Wahrscheinlichkeit, dass sich mindestens eine der 19 nicht-infizierten Personen ansteckt, liegt bei 100 Prozent. Das individuelle Risiko für jede der 19 anwesenden Personen schätzt die App auf 51 Prozent.
Infektiöse/r Schüler*in:
Die Wahrscheinlichkeit, dass sich mindestens eine der 19 nicht-infizierten Personen ansteckt, liegt bei 63 Prozent. Das individuelle Risiko für jede der 19 anwesenden Personen schätzt die App auf 5 Prozent.
Die unterschiedlich hohen Infektionsrisiken ergeben sich aus den unterschiedlichen angenommenen Verhaltensweisen der Personen: Bei einer infektiösen Lehrkraft nimmt Heads an, dass sich ihre Tätigkeiten aus 80 Prozent lautem Reden und 20 Prozent Atmen zusammensetzen. Bei einem/einer infektiösen Schüler*in geht die App davon aus, dass 10 Prozent laut geredet wird während die restlichen 90 Prozent geatmet wird.
Zum Corona-Infektionsrechner "Head" >>>
Hinweis
Wichtig ist zu beachten, dass die Risikoberechnung der Web-App Nutzern dazu dienen soll, das generelle Infektionsrisiko in bestimmten Situationen besser einschätzen zu können. Die Risikoberechnung ersetzt allerdings nicht das Einhalten der allgemein geltenden Hygiene- und Abstandsregelungen.