16. März 2021 – Lea Biskup
Seit Montag (15.03.) sind die Impfungen mit dem COVID-19-Impfstoff AstraZeneca in Deutschland ausgesetzt. Warum wurden die Impfungen vorläufig gestoppt? Was wird aus bereits vergebenen Impfterminen? Was gilt für die Personen, die bereits ihre erste AstraZeneca-Impfung erhalten haben? Wichtige Antworten auf diese und weitere Fragen gibt es hier.
Warum wird das Impfen mit dem AstraZeneca-Impfstoff vorerst ausgesetzt?
Der Impfungen mit dem AstraZeneca-Impfstoff werden vorläufig ausgesetzt, weil in Deutschland Inzwischen in 13 gemeldeten Fällen Blutgerinnsel (Thrombosen) in Hirnvenen aufgetreten sind, die in zeitlichem Zusammenhang mit einer Impfung des COVID-19-Impfstoffs AstraZeneca entstanden sind, wie das Bundesgesundheitsministerium am Donnerstag (18.03.) mitteilte. Drei Patienten seien gestorben. Insgesamt handele es um zwölf Frauen und einen Mann zwischen 20 und 63 Jahren.
Laut Angaben des Paul-Ehrlich-Instituts handelt es sich um "Verdachtsfälle von sehr schwerwiegenden Nebenwirkungen". Drei der dreizehn betroffenen Personen sind verstorben. Allerdings ist bisher unklar, ob die Fälle in Zusammenhang mit dem Impfstoff stehen. Um die Fälle weiter zu analysieren, hat das Paul-Ehrlich-Institut deshalb empfohlen, die AstraZeneca-Impfungen in Deutschland vorsorglich auszusetzen.
Die Zahl der Fälle von Hirnvenenthrombosen war nach einer solchen Impfung statistisch signifikant höher als die Zahl, die normalerweise in der Bevölkerung ohne Impfung auftreten. Laut Paul-Ehrlich-Institut sei etwa ein Fall zu erwarten gewesen, dreizehn Fälle waren gemeldet worden.
Was ist eine Sinusvenenthrombose?
Bei Sinusvenenthrombosen handelt es sich um Verstopfungen der Gehirn-Venen aufgrund von Blutgerinnseln. Symptome können lang andauernde oder wiederholt auftretende Kopfschmerzen sein, die häufig zusätzlich von verschiedenen Beschwerden begleitet werden, die an einen Schlaganfall erinnern, z.B. Krampfanfälle oder Lähmungen.
Wer war betroffen?
Die dreizehn Fälle einer speziellen Thrombose betrafen Menschen zwischen etwa 20 und 50 Jahren. Das teilte das Paul-Ehrlich-Institut am Dienstag (16.03.) mit. Sechs davon hätten eine sogenannte Sinusvenenthrombose gehabt, alles Frauen in jüngerem bis mittlerem Alter. Ein weiterer Fall mit Hirnblutungen bei Mangel an Blutplättchen sei medizinisch sehr vergleichbar gewesen. "Alle Fälle traten zwischen 4 und 16 Tage nach der Impfung mit dem Covid-19-Impfstoff AstraZeneca auf", hieß es. Drei der dreizehn Betroffenen seien verstorben.
Ich habe eine AstraZeneca-Impfung erhalten. Was kann ich tun?
Das Paul-Ehrlich-Institut weist darauf hin, dass die aufgetretenen Hirnvenenthrombosen nach bisheriger Erkenntnis bei dreizehn von 1,6 Millionen Impfungen aufgetreten sind. Sie sind also sehr selten. Die Symptome sind nach bisheriger Lage 4 bis 16 Tage nach den Impfungen mit dem AstraZeneca-Impfstoff aufgetreten. Die betroffenen Personen sollen sich weiter unwohl gefühlt und gesteigerte Kopfschmerzen gehabt haben. In diesem Zusammenhang weist das Paul-Ehrlich-Institut darauf hin, dass sich Personen, die den COVID19-Impfstoff AstraZeneca erhalten haben und sich mehr als vier Tage nach der Impfung zunehmend unwohl fühlen – mit starken und anhaltenden Kopfschmerzen oder punktförmigen Hautblutungen – unverzüglich in ärztliche Behandlung begeben sollten.
Was wird aus meinem Impftermin?
Die meisten Impfungen in Niedersachsens Impfzentren werden mit den Impfstoffen von Biontech/Pfizer bzw. Moderna durchgeführt. In Niedersachsen wird erst seit dem 1. Februar mit dem AstraZeneca-Impfstoff geimpft. Bislang wurden 157.523 Erstimpfungen durchgeführt. Zweitimpfungen wurden bislang nicht verabreicht. Für einen vollständigen Impfschutz sind bei dem AstraZeneca-Impfstoff zwei Impfstoffdosen notwendig. Notwendige Zweitimpfungen sind ab der 15. Kalenderwoche, also dem 12.04., gebucht.
Wer bereits einen Termin für die Impfung mit AstraZeneca hat, wird vom Land Niedersachsen informiert und erhält schnellstmöglich automatisch einen neuen Termin. Über das System der Warteliste werden diese Personen als erste mit einem neuen Termin versorgt, sobald entsprechende Impfstoffe in den Impfzentren vorhanden sind. Über 80-Jährige werden hierbei priorisiert behandelt.
Wie viele Impftermine müssen jetzt in Niedersachsen verschoben werden?
In Niedersachsen müssten rund 160.000 Termine abgesagt beziehungsweise verlegt werden, teilte das Gesundheitsministerium in Hannover am Dienstag (16.03.) mit. In Niedersachsen macht der Impfstoff von AstraZeneca den Angaben zufolge rund ein Viertel der Impfkapazität aus.
Wie die Region Hannover in einer Presseinfo am Dienstag berichtet, kann das Impfzentrum von Stadt und Region Hannover den Ausfall des AstraZeneca-Impfstoffs kurzfristig kompensieren. Grund dafür ist eine zusätzliche Lieferung des Moderna-Impfstoffs. Damit sind die ab Mittwoch dieser Woche terminierten Einsätze der mobilen Teams nicht mehr gefährdet und können mit dem jetzt zusätzlich zur Verfügung stehenden Moderna-Vakzin abgewickelt werden. Für die am Dienstag, 16. März 2021, abgesagten Einsätze der mobilen Impfteams in Schulen und Kitas sollen alle davon betroffenen Personen für die kommende Woche ein neues Impf-Angebot mit dem Moderna-Impfstoff erhalten.
Was ist, wenn ich bereits eine Impfung mit AstraZeneca bekommen habe und der Impfstoff – nur theoretisch – aus dem Programm genommen wird?
Menschen, die nach einer ersten Impfung mit dem AstraZeneca-Impfstoff wegen des vorläufigen Stopps keine zweite Dosis erhalten, müssen sich nach Ansicht von Experten zunächst keine Sorgen um fehlenden Immunschutz machen. "Nach allem, was wir wissen, ist es nicht problematisch, die zweite Impfung aufzuschieben", sagte Stefan Kaufmann, emeritierter Direktor am Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie in Berlin, der Deutschen Presse-Agentur. "Wir haben wenig Erfahrung, was die Dauer des Impfschutzes anbelangt, weil die Studien dazu ja gerade abgeschlossen sind. Mindestens sechs Monate sollte der nach der ersten Impfung aufgebaute Schutz aber halten."
Dass bereits die erste AstraZeneca-Impfdosis einen guten Schutz vor schweren Verläufen vermittelt, geht unter anderem aus Daten aus Schottland hervor, die im Februar vorgestellt wurden. Demnach sank das Risiko einer Krankenhauseinweisung vier Wochen nach der ersten Dosis des Impfstoffes um bis zu 94 Prozent. Verglichen wurden bei dieser Analyse Menschen mit einer Impfung und Menschen ohne Impfung.
Eventuell ist es sogar möglich, für die zweite Impfdosis einen anderen Impfstoff zu erhalten. Das wird aber noch geprüft.
Bei der Anti-Baby Pille kann es auch zu Thrombosen kommen. Warum gibt es dann die Aufregung um den AstraZeneca- Impfstoff?
Hier ist es wichtig zu wissen, dass Thrombose nicht gleich Thrombose ist. Bei den Thrombosen, die bei der Anti-Baby-Pille auftreten können und den sogenannte Sinusvenenthrombosen bzw. Hirnvenenthrombosen handelt es sich um zwei verschiedene Erkrankungen mit unterschiedlichen Schweregraden, weshalb ein Vergleich schwierig ist.
Wann gibt es eine Entscheidung, ob die Impfungen mit dem AstraZeneca-Impfstoff fortgesetzt werden?
Aktuell bewerten die Expert*innen der nationalen Arzneimittelbehörden in den Gremien der Europäischen Arzneimittelagentur (EuropeanMedicines Agency, EMA) die aktuellen Verdachtsfälle. Sobald die entsprechenden Untersuchungen abgeschlossen sind, wird die EMA eine abschließende Bewertung vornehmen und entscheiden, ob der AstraZeneca-Impfstoff weiter zugelassen wird.
(mit Material der dpa & des Paul-Ehrlich-Instituts)