19. Februar 2022 –
Die Situation in Niedersachsen
Wetterdienst: Orkantief "Zeynep" zieht weiter
Die Einsatzkräfte in Niedersachsen blicken auf eine ereignisreiche Nacht zurück. Sturmtief "Zeynep" kam nicht unerwartet. Trotzdem waren gerade die Feuerwehren an der Küste von der Einsatzzahl überrascht. Auch der Bahnverkehr ist ist stark eingeschränkt.
18.02.2022: Ein umgestürzter Baum liegt beim starkem Wind auf einer Straße. Nach kurzem Zwischenhoch fegte das Orkantief "Zeynep" im Laufe des Tages und der Nacht von Westen her über Niedersachsen hinweg., Foto: picture alliance/dpa
Der Deutsche Wetterdienst hat am frühen Samstagmorgen sich abschwächenden Wind an der Nordsee gemeldet. Das Orkantief "Zeynep" habe die Ostsee erreicht und ziehe dann unter Abschwächung weiter in Richtung Russland, sagte eine Sprecherin des Wetterdienstes. "Der Wind kommt langsam zur Ruhe." Verbreitet habe es orkanartige Böen und Orkanböen der Windstärken 11 und 12 gegeben, auf der Insel Spiekeroog seien Windgeschwindigkeiten bis zu 135 Stundenkilometer gemessen worden.
Es bleibt stürmisch
Der Wetterdienst warnte davor, dass es zunächst unbeständig und stürmisch bleiben wird. "Der Wind kommt nicht längerfristig zur Ruhe", sagte die Sprecherin. "Noch so ein Kaliber" wie das Orkantief werde es aber nicht geben. An der Küste werde es am Samstag in Böen stürmisch bleiben, in Südniedersachsen werden in der Nacht zum Sonntag starke bis stürmische Böen erwartet.
Am Sonntag dürften demnach im Flachland Niedersachsens erneut Sturmböen auftreten, aber kein Orkan - an der Küste auch schwere Sturmböen. All dies werde aber "eine Nummer schwächer als in der Nacht" zum Samstag ausfallen, sagte die Sprecherin.
520 Einsätze für ostfriesische Feuerwehren
Das Sturmtief "Zeynep" hat die ostfriesischen Feuerwehren in Atem gehalten. Bis Samstagmorgen um 6.00 Uhr seien die Feuerwehren zu mehr als 520 Einsätzen im Landkreis Aurich gerufen worden, teilte die Feuerwehr mit. Das sei eine "sicherlich historische Zahl". Umstürzende Bäume hätten die Oberleitung der Bahn in Norden erheblich beschädigt, ebenso Überland-Telefonleitungen. Dächer mussten gesichert werden, Teile von Garten- und Blockhäusern und mehrere Trampoline wurden von den Straßen geräumt. Ein Baukran habe sich in Richtung zweier Einfamilienhäuser geneigt. Die Familien mussten die Häuser verlassen.
Die Feuerwehr beklagte zudem sogenannte "Einsatzstellentouristik" - trotz der Warnung, sich nicht unnötig im Freien aufzuhalten. Die Bundesstraße 72 habe wegen umgestürzter und stürzender Bäume gesperrt werden müssen, ein Autofahrer habe aber trotzdem durchfahren wollen - um sich Einsätze der Feuerwehren anzusehen. Die Straße wurde für einige Stunden gesperrt.
Teils hätten die Feuerwehren nur zu den Einsatzstellen kommen können, indem sie sich Wege freiräumten und Gefahrenstellen beseitigten oder absicherten. Nach Angaben der Feuerwehr der Insel Norderney kam es auch dort zu einigen Einsätzen, der Hafen der Insel steht demnach unter Wasser.
Auch im gesamten Gebiet Ostfriesland mussten immer wieder Straßen gesperrt werden. In Eversmeer im Landkreis Wittmund stürzte der Giebel eines Hauses ein. Die Polizei schätzt den Schaden auf rund 250 000 Euro. Die Bewohner kamen in der Nacht bei Verwandten unter. In Krummhörn im Landkreis Aurich wurde ein Auto vom Sturm erfasst und kam von der Straße ab. Die Fahrerin wurde dabei leicht verletzt.
In den Häfen in Emden und Wilhelmshaven mussten mehrere Schlepper die größeren Schiffe sichern. Dabei drückten sie die windanfälligen Schiffe gegen die Pier, sagte ein Sprecher der Wasserschutzpolizei.
18.02.2022: Das Wasser drückt durch den Sturm auf den Fähranleger. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) erwartet den Orkan Zeynep gegen Mitternacht an der Nordseeküste - dann können dort extreme Orkanböen mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 160 Stundenkilometern erreicht werden., Foto: picture alliance/dpa
Strand der Insel Wangerooge im Sturm fast vollständig weggespült
Die Nordseeinsel Wangerooge hat im Sturm etwa 90 Prozent ihres Badestrandes eingebüßt. "Auf einer Länge von einem Kilometer gibt es kaum noch Sand", sagte Wangerooges Inselbürgermeister Marcel Fangohr am Samstagmorgen. Die Schutzdünen vor dem Trinkwasserschutzgebiet hätten kein Deckwerk mehr, dies müsse wie der Strand neu aufgeschüttet werden. Dennoch sei der Sturm glimpflich ausgegangen, das Orkantief "Zeynep" habe keine schweren Schäden verursacht.
Der Wasserstand habe etwa zwei Meter über dem normalen Stand gelegen, das sei weit von den Höchstständen entfernt, erklärte Fangohr. 2013 habe der Wasserstand bei 9,17 Metern gelegen, in der Nacht zum Samstag seien es 8,50 Meter gewesen. Glück im Unglück sei es gewesen, dass der starke Wind eher aus westlicher Richtung kam - nicht aus nordwestlicher. Neben dem weggespülten Strand seien Mülleimer umgekippt, eine Satellitenschüssel sei von einem Dach geflogen und Zäune umgefallen. "Wir haben Glück gehabt", sagte er.
Mindestens sechs Wochen werde es dauern, den Strand wieder aufzuschütten, sagte Fangohr. Der Sand dafür komme von einer Sandbank vor der Insel. Schon nach den vergangenen Stürmen seien etwa 60 Prozent des Strandes weggespült worden, nun sei stellenweise überhaupt kein Sand mehr da.
Landkreis Cuxhaven: Mann stirbt bei Reparatur von Sturmschäden
Ein Mann ist in der Gemeinde Wurster Nordseeküste (Landkreis Cuxhaven) während des Sturms von einem Dach gestürzt und gestorben. Der 68-Jährige habe in der Nacht auf den Samstag versucht, das beschädigte Dach eines Stalls zu reparieren, teilte die Polizei mit. Dabei sei er durch das Dach gebrochen und rund zehn Meter in die Tiefe gestürzt. Er starb noch an der Unfallstelle.
Hunderte Sturmeinsätze in der Region Hannover
Rettungskräfte haben in der Region Hannover hunderte sturmbedingte Einsätze abgearbeitet. Bis kurz nach Mitternacht sei es bereits zu rund 450 Einsätzen gekommen, teilte die Feuerwehr Hannover am frühen Samstagmorgen per Twitter mit. Zwischenzeitlich wurden alleine in der Landeshauptstadt 70 Einsätze gleichzeitig abgearbeitet. Bis zu 345 Feuerwehrleute kümmerten sich um umgefallene Bäume, abgeknickte Äste oder sicherten Dachziegel, die herabzufallen drohten. Das Dach einer Halle wurde durch den Sturm auf eine Straße geweht. Die Feuerwehr trennte die Reste der Verkleidung mit einer Kettensäge ab und sicherte den Rest mit Sandsäcken.
18.02.2022: Einsatzfahrzeuge der Johanniter-Unfall-Hilfe stehen am Abend vor dem Hauptbahnhof. Ehrenamtliche Einsatzkräfte verteilen im Hauptbahnhof Essen und Getränke an gestrandete Reisende., Foto: picture alliance/dpa
Bahnverkehr im Norden weiterhin stark eingeschränkt
Der Bahnverkehr im Norden Deutschlands und in den nördlichen Landesteilen Nordrhein-Westfalens ist wegen des Sturms weiterhin stark eingeschränkt. Wie die Deutsche Bahn (DB) in Berlin am Samstagmorgen berichtete, fahren weiterhin keine Züge des Fernverkehrs in den betroffenen Regionen. Dies gelte für Verbindungen nördlich von Dortmund, Hannover und Berlin sowie zwischen Berlin und Halle (Saale)/Leipzig. Nur auf der Schnellfahrstrecke zwischen Köln und Frankfurt führen einzelne Züge. Auch der Regionalverkehr fällt nach Angaben der Bahn noch flächendeckend aus.
Vor einer Wiederaufnahme des Verkehrs seien zunächst umfangreiche Erkundungsfahrten erforderlich. "Mit abflauendem Sturm sind rund 2000 Einsatzkräfte der DB im Dauereinsatz, um Strecken zu erkunden und Reparaturen durchzuführen", teilte die Bahn mit. Für einen Überblick über den Zustand der Strecken setze die Bahn auch Hubschrauber ein. "Die DB arbeitet mit Hochdruck daran, Strecken freizuräumen und den Verkehr Stück für Stück wieder aufzunehmen", hieß es weiter.
Noch sei keine genaue Prognose möglich, wann der Fernverkehr auf den betroffenen Strecken wieder starte, sagte eine Sprecherin der Bahn am frühen Vormittag. "Es laufen gerade die Informationen von den Erkundungsfahrten ein." Anhand des Lagebilds über die Schäden werde dann entschieden. "Sicherheit hat immer Vorrang."
Bremen: 55 Meter großer Baukran stürzt ein
Ein 55 Meter großer Baukran ist während des Sturmtiefs "Zeynep" in Bremen eingestürzt. Der Kran sei dabei in der Nacht auf den Samstag in ein im Rohbau befindliches Bürogebäude gekracht, sagte ein Feuerwehrsprecher. "Es sieht verheerend aus" so der Sprecher. Auch ein gerade vorbeifahrender Laster sei von dem Kran erwischt worden. Der Fahrer sei unverletzt geblieben. Ein weiterer 90 Meter hoher Kran wurde nicht beschädigt. Die Trümmerteile blockieren nun die umliegenden Straßen. Die Beseitigung des Krans werde noch bis zum Anfang der kommenden Woche dauern. Zur Schadenshöhe konnte die Polizei keine Angaben machen.
In Bremen musste wegen eines erwarteten Hochwassers auch ein Parzellengebiet in der Pauliner Marsch evakuiert werden, sagte eine Polizeisprecherin am Freitagabend. "Das ist Jahre her, dass wir zu so einer Maßnahme greifen mussten."
(Material der dpa)