28. September 2020 –
Ein Endlager mit Atommüll will niemand in der Nachbarschaft haben. Aber irgendwo müssen die 1900 Behälter hin, die übrig bleiben, wenn 2022 das letzte deutsche AKW vom Netz geht. Ein Bericht zeigt nun, welche Gegenden geologisch - ganz grundsätzlich - in Frage kämen.
Wie viele Gebiete erfüllen die geologischen Voraussetzungen für ein Atommüll-Endlager?
90 Gebiete in Deutschland haben nach Erkenntnissen der Bundesgesellschaft für Endlagerung günstige geologische Voraussetzungen für ein Atommüll-Endlager. Der Salzstock Gorleben in Niedersachsen ist nicht darunter, wie aus dem am Montag veröffentlichten Zwischenbericht Teilgebiete hervorgeht.
Berücksichtigt man die Überlagerung einiger Gebiete, ist laut Bericht in Deutschland ein Anteil von 54 Prozent der Landesfläche als Teilgebiet ausgewiesen. Teilgebiete liegen etwa in Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen, aber auch in den ostdeutschen Ländern.
Was sind Teilgebiete?
Teilgebiete sind Gebiete, die günstige geologische Voraussetzungen für die sichere Endlagerung hochradioaktiver Abfälle erwarten lassen. Ausgewählt wurden sie nach Erkenntnissen der Bundesgesellschaft für Endlagerung bezüglich günstige geologische Voraussetzungen. Mit Hilfe von geowissenschaftlichen Abwägungskritrien wurden die Teilgebiete ermittelt und werden im weiteren Auswahlverfahren näher betrachtet.
Eine Vorfestlegung auf einen Standort ist damit aber noch nicht verbunden: In den kommenden Monaten und Jahren werden die möglichen Standorte nach und nach weiter eingegrenzt, indem weitere Kriterien - etwa die Bevölkerungsdichte - berücksichtigt werden.
Wo liegen die meisten Teilgebietsflächen?
Bei der ersten Vorauswahl geologisch geeigneter Regionen für ein Atommüll-Endlager liegen die meisten Flächen in Bayern und Niedersachsen. Beide Bundesländer sind flächenmäßig fast in gleichem Umfang betroffen, wie aus dem am Montag veröffentlichten Zwischenbericht Teilgebiete hervorgeht. Die Bayern betreffenden Teilgebiete umfassen zusammengerechnet 41 818 Quadratkilometer, die Niedersachsen betreffenden 41 507. Berücksichtigt man die Überlagerung einiger Gebiete, ist laut Bericht in Deutschland ein Anteil von 54 Prozent der Landesfläche als Teilgebiet ausgewiesen, insgesamt rund 194 000 Quadratkilometer.
Weitere Bundesländer mit großen Teilgebieten sind Schleswig-Holstein (17 670 Quadratkilometer), Baden-Württemberg (16 848), Brandenburg (16 310) sowie Sachsen-Anhalt (12 263) und Mecklenburg-Vorpommern (12 057).
Interaktive Karte mit Teilgebieten
Eine interaktive Karte zu den ausgewiesenen Teilgebieten findet ihr hier. Auf der Karte könnt ihr auch über die Postleitzahl- bzw. Ortssuche (Lupensymbol rechts oben in der Karte) herausfinden, welche Orte in einem Teilgebiet liegen.
Zur interaktiven Karte. >>>
Dennoch dürfte die Debatte über die Endlagerung von hoch radioaktivem Atommüll damit in Fahrt kommen - vor allem in den Gebieten, die nun näher unter die Lupe genommen werden sollen.
Das Endlager soll unterirdisch in Salz, Ton oder Kristallin, also vor allem Granit, entstehen. 2031 soll der Standort gefunden sein, ab 2050 sollen Behälter mit strahlendem Abfall unterirdisch eingelagert werden.
Der Bericht der Bundesgesellschaft für Endlagerung listet erst einmal alle Regionen in Deutschland auf, "die günstige geologische Voraussetzungen für die sichere Endlagerung radioaktiver Abfälle erwarten lassen", so schreibt es das entsprechende Gesetz vor. Deswegen sind es noch ziemlich viele und teils auch recht große Gebiete. Konkreter wird es erst in den kommenden Jahren. Aus den Teilgebieten werden sogenannte Standortregionen ausgewählt, die übertägig genauer erkundet werden. Einige davon werden dann auch untertägig erforscht.
Warum wurde die Endlager-Suche komplett neu gestartet?
Nach langem Ärger um den Salzstock Gorleben wurde die Endlager-Suche komplett neu gestartet. Ausgehend von einer "weißen Landkarte", auf der erst mal jeder Ort grundsätzlich in Frage kommt, werden mögliche Standorte nun nach wissenschaftlichen Kriterien nach und nach eingegrenzt. Am Ende soll dann aber die Politik die Entscheidung über den Standort treffen - basierend auf den wissenschaftlichen Erkenntnissen. Über verschiedene Formate können sich Bürger, Gemeinden und Organisationen in den Prozess einbringen.
Zoff hatte es vor allem um Gorleben gegeben, das zu einem Symbol der Anti-Atomkraft-Bewegung geworden war. Manche forderten schon vor der Veröffentlichung des Berichts, den Salzstock als "politisch verbrannt" aus der Suche auszunehmen. Aber auch die bayerische Landesregierung hat Ärger auf sich gezogen, weil sie den Suchprozess anzweifelt und darauf pocht, dass der Untergrund in Bayern nicht geeignet sei. Beides stellte das Prinzip der "weißen Landkarte" in Frage, die erst nach und nach anhand messbarerer Kriterien eingegrenzt wird.
Auf dieses Prinzip pochen unter anderem die Grünen, deren Wurzeln auch in der Anti-Atomkraftbewegung liegen. "Jetzt ist erst einmal die Wissenschaft am Zuge und die sollte man auch in Ruhe machen lassen", sagte Bundestags-Fraktionsvize Oliver Krischer der dpa. Im Fall Gorleben habe es in erster Linie eine politische Entscheidung gegeben. In den 70er Jahren war beschlossen worden, dort ein Endlager einzurichten. Deswegen habe «ein Landstrich fast komplett rebelliert".
(mit Material der dpa)