13. März 2024 –

Boßeln: von Niedersachsen in die Welt

Ostfriesensport: Prignitzer wollen Boßeln in Brandenburg etablieren

Der Ostfriesensport Boßeln ist in Brandenburg nahezu unbekannt. In der Prignitz wollen das zwei Gruppen aber ändern. Ein erstes gemeinsames Turnier war der Auftakt dafür.

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Foto: 08.03.2024: Stephan Weil (SPD), Ministerpräsident von Niedersachsen, wirft eine Boßelkugel über die Straße. Stephan Weil hat beim traditionellen Landschaftsboßeln seine Wurffähigkeiten in dem in Ostfriesland beliebten Straßensport unter Beweis gestellt., Foto: picture alliance/dpa

Es hat etwas von Kegeln, nur dass es bei diesem Sport keine Kegel gibt. Boßeln auf kilometerlangen Wegen und Straßen ist in Ostfriesland eine Art Nationalsport. Und auch in Brandenburg gibt es Menschen, die dem geselligen Kugelwerfen viel abgewinnen können - etwa eine Boßelgruppe aus Breddin (Ostprignitz-Ruppin).

«Wir haben uns schon 1997 gegründet. Zum Boßeln sind wir durch unsere Partnergemeinde Jeddeloh II im Ammerland gekommen», sagt Gruppenmitglied Beate Nebelin. Bis zu 25 Leute boßeln seitdem in Breddin mit, die Gruppe gehört keinem Verein an.

Zwischen September und Juni treffen sie sich, meist auf einer Verbindungsstraße zwischen Breddin und Damelack, und werfen dort ihre Kugeln. Die Strecke hin und zurück beträgt immerhin gut zehn Kilometer. Zur Absicherung vor möglichem Autoverkehr stellen die Boßeler dann ein Schild mit der Aufschrift «Spielstrecke» auf.

Kulturverein Burg Goldbeck vereint Boßeln mit Knieperkohl

Gleichgesinnte haben die Breddiner jetzt auf Burg Goldbeck bei Wittstock (Ostprignitz-Ruppin) gefunden. Der dort ansässige Kulturförderverein hat sich Gedanken um neue Aktivitäten gemacht. «In Norddeutschland findet Boßeln oft im Zusammenhang mit Grünkohlessen statt. Bei uns wäre das dann der Knieperkohl», sagt Vorstandsmitglied Christian Richter.

Durch einen Zeitungsartikel im Internet war er auf die Breddiner Gruppe gestoßen und hatte sie nun zum ersten Knieperkohl-Boßeln nach Goldbeck eingeladen. In vier Mannschaften ging es eine Kappstraße in Richtung Wittstock knapp zwölf Kilometer hin und zurück. «Die Gruppe mit den wenigsten Würfen auf der Strecke hat gewonnen», erklärte Beate Nebelin. Dem Sieger winkte ein eigens geschreinerter Wanderpokal.

Doch beim Boßeln, wie es die Breddiner betreiben, geht es weniger ums Gewinnen, sondern mehr um Geselligkeit und Bewegung an der frischen Luft. Mit speziellen Kugeln aus Gummi und Metallkern sowie selbst gebauten Krabern, mit denen die Kugeln aufgelesen werden, ging es an den Start. Zwei Mannschaften treten jeweils gegeneinander an. Die, dessen Kugel die geringste Weite erzielt, hat wieder den nächsten Wurf.

Dabei kommt es nicht nur auf Kraft an, sondern auch auf die Beschaffenheit der Strecke. Schlaglöcher, Kurven und Pfützen bilden unerwünschte Hindernisse. Nicht fehlen durfte Wegzehrung, die in Bollerwagen mitgeführt wurde. «Dass hier verschiedene Generationen mitmachen, ist besonders schön», sagte Beate Nebelin.

Bisher keine Sportvereine für das Boßeln in Brandenburg

Die Breddiner und Goldbecker entdeckten jedenfalls trotz des Turniergedankens sofort ihre Sympathie füreinander und das Boßeln. Beim anschließenden Knieperkohlessen wurde das Team «Bratwurst Goldbeck» mit dem Pokal geehrt, es hatte die Strecke mit 64 Würfen gemeistert. Der Einladung nach Breddin wollen die Goldbecker nun bald folgen, wie Christian Richter sagte.

Boßeln ist in Brandenburg relativ unbekannt. Es gibt auch keine Vereine dafür, wie Andreas Gerlach vom Landessportbund (LSB) informiert. Auch als Sektion in einem der gut 3000 märkischen Sportvereine ist Gerlach keine Boßelgruppe bekannt. «Wir sind auf das Thema bisher auch noch nicht angesprochen worden, wären aber offen für Ideen», sagt er.

Ganz anders sieht das in der Heimat des Boßelns, in Ostfriesland - in Niedersachsen und Schleswig-Holstein - aus. Hier sind über 30 000 Menschen in gut 250 Vereinen organisiert, wie Helfried Goetz vom Friesischen Klootschießer-Verband (FKV) erklärt. «Ursprünglich kam das Boßeln wohl mal vom Kegeln. Die Bauern haben es hauptsächlich als Zeitvertrieb im Winter nach der Ernte gespielt», sagt der FKV-Vorsitzende.

Exilostfriesen tragen Boßeln in die ganze Welt

Der Sport werde seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts betrieben. Sein Heimatverein in Niedersachsen, der KBV «Frisch weg» Wiesedermeer (Landkreis Wittmund), gehöre mit 125 Jahren zu den ältesten in Ostfriesland. «Bei uns ist das aber kein reines Freizeitvergnügen, sondern ein Leistungssport», betont Helfried Goetz. Regional sei Boßeln dort teilweise stärker verbreitet als etwa Fußball.

Der Sport sei auch in anderen Teilen Niedersachsens sowie in Nordrhein-Westfalen mittlerweile bekannt und beliebt geworden. Selbst in Berlin sei auf dem Tempelhofer Feld schon geboßelt worden. Hier organisiert etwa der Ostfriesenverein Berlin das Boßeln. «Irgendwo machen Exilostfriesen immer mal Lust auf den Sport», sagt Helfried Goetz.

Ein bei ihm ortsansässiger Händler für Boßel-Zubehör habe sogar schon Boßelkugeln bis nach Australien verschickt. Dass Boßeln nun auch in Brandenburg Fans gefunden hat, freut den Ostfriesen. «Mehr Popularität hilft uns auch, Boßeln endlich als immaterielles Kulturerbe anerkennen zu lassen», sagt der FKV-Vorsitzende.

(dpa)

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